Im folgenden Artikel wird die tiefe Symbolsprache einer einzigen
Tarotkarte, 'die Hohepriesterin' des Rider-Waite-Tarot Decks aufgelöst.
Das Beispiel soll die tiefgründige Bildsprache des Tarot verdeutlichen.
Das am weitesten verbreiteste Deck zum Kartenlegen und Wahrsagen ist
aktuell das Rider-Waite-Tarot von 1910, geschaffen durch Arthur Edward Waite
und der Künstlerin Pamela Colman Smith. Beide waren Mitglieder des
hermetischen Ordens 'Golden Dawn', der Orden der goldenen Morgendämmerung.
Der Golden Dawn, dem auch zeitweise der Magier Aleister Crowley angehörte,
beschäftigte sich mit den magischen Traditionen der Kabbala, Alchemie und
Magie. Der Orden verwaltet und untersucht ales verborgenes magisches
Geheimwissen und trotzdem leisteten viele seiner Mitglieder einen
bedeutenden Anteil zur Aufklärungsbewegung.
Die Hohepriesterin steht für weibliche Intuition, Glaube, Emotionalität und Kompromissbereitschaft.
Negative Aspekte sind Mystizismus, Naivität und zu passives Handeln.
Die Hohepriesterin hat insbesondere für eine weibliche Fragestellerin eine
besondere Bedeutung, symbolisiert Sie doch die vornehmlich weiblichen Aufgabe, Weisheit
und Wissen zu vermitteln und an nachfolgende Generationen zu übergeben
(Kultur, Mythen, Klatsch, Märchen) - eine Aufgabe die insbesondere
im Alter eine gehobene Rolle spielen sollte.
Eine Frau in einer weiß-blauen priesterlichen Robe. Weiß für Reinheit und Keuschheit, Blau wie
der Himmel oder für die himmlische Gnade des Kosmos. Blau ist eine entspannende Farbe und
wird oft von Hexen in Ritualen benutzt, um Weisheit, Harmonie und Frieden zu symbolisieren und
somit einen leichteren Zugang zum inneren Licht zu erhalten.
Die Hohepriesterin trägt die ägyptische Mond-Krone der Göttin Isis, der Frau des Gottes Osiris.
Diese Krone ist bemerkenswert, gilt Isis doch als Göttin der Liebe, Gottesmutter und Mutter
der Sonne. Sämtliche ägyptische Pharaonen beriefen sich darauf, Nachfahren der Isis zu sein.
Viele Forscher sind sich einig, das die bekannten Ikonen des Marienkult im katholischen Glauben
- Maria und das Jesus-Kind - an Isis mit dem Horos-Kind angelehnt sind
Isis-Kult.
Gleichzeitig trägt die Hohepriesterin in grosses christliches Kreuz, die jüdische Tora und
eine Mondsichel (auch ein Symbol des Islam) zu Ihren Füßen.
Eine Priesterin mit Symbolen aus 4 sehr gegensätzlichen Religionen. Gleichzeitig offenbaren
diese verschiedenen Symbole auch 4 Aspekte sämtlicher menschlicher Wert- und Glaubensgemeinschaften.
Die Mondkrone der Isis steht für Mystik, das Kreuz für Glauben. Die Tora weist auf eine gemeinsame
Konvention oder ein 'Gesetz' hin, die Mondsichel für Bodenständigkeit und das Irdische. Jedes
Glaubensgebäude benötigt diese Elemente.
Die schwarze und weiße Säule steht für die beiden Säulen des salominischen Tempels 'Boas' und 'Jachin'.
Diese Legende hat in der Hiram-Abif - Legende eine besondere Bedeutung. Die Säule Boas - benannt
nach dem Urgroßvater des Königs Davis - steht für Kraft und Stärke. Die Säule Jachin - benannt nach
dem Hohepriester Jachin - steht für einen festen Stand. Beide gemeinsam symbolisieren Stabilität durch
einen königlichen und einen priesterlichen Aspekt. Im freimaurerischen Symbolik stehen 'J' und 'B' für
die Grundpfeiler der Humanität.
Das Allerheiligste des 'Tempels' ist durch einen Vorhang mit bestickten Granatäpfeln und Palmen
verhüllt - das Hochheiligste ist nicht darstellbar und unaussprechlich. Doch es trägt die
Eigenschaften der Fruchtbarkeit (Granatäpfel) und Königlichkeit - Jesus Christus wurde z.B. mit
Palmenzweigen als neuer König begrüßt.
Die Symbole sind insgesamt sehr gegensätzlich. Irdisch und himmlisch, Wissenschaft und Glauben,
Offenkundiges und Verborgendes. Die wiedersprüchlichen Aspekte des Lebens müssen ständig neu
bewertet und miteinander in Harmonie gebracht werden - eine Bürde und Aufgabe der Weiblichkeit.
Es geht hierbei nicht um rationales Wissen sondern um intelligente und intuitive Entscheidungen.
Die Karte wird überlicherweise dahingehend interpretiert, dass der Fragesteller daran erinnert wird,
trotz lückenhafter Informationen Probleme, Aufgaben und Konflikte geschickt zu lösen. Kurz: Es
gibt IMMER einen Ausweg. Allerdings ist es manchmal auch unmöglich, den besten und weisesten
Weg einzuschlagen, da man einfach nur über ein eingeschränktes Sichtfeld verfügt - trozdem gelangt
man auch durch eine reine intuitive Entscheidung - als Hohepriesterin - zum Ziel.
Die Tarotkarte 'die Hohepriesterin' enthält viele Sybole und Aspekte - gerade diese tiefgründige
Sprache macht insbesondere das Rider-Waite-Tarot so geheimnisvoll und bedeutsam als Deck zur
Divination.
Interessanterweise war Waite ein Gegner der Divination und Wahrsagerei. Trotzdem erläutert er
in einem seiner Bücher ausführlich einige Methoden der Kartomantie. ...wollte er das Tarotdeck
in erster Linie als Werkzeug der Einweihung in die Mysterien des Rosenkreuzertums und des Christentums
verstanden sehen. Dies ist in etwas damit zu vergleichen, dass der Erfinder der Glühbirne lediglich
seine Erfindung einsetzen wollte, um zu beweisen, dass es auch während der Nacht Licht geben kann.
Weitere verborgende Symbole und Geheimnisse, die zum Nachdenken anregen,
finden sich bei der Tarotkarte 'die Hohepriesterin' in
dem angedeuteten kabbalistischen Lebensbaums auf dem Vorhang, dem Kontext der Karte als Nummer 2 von
22 Karten der großen Arkana oder dem 'behauenen Stein', auf dem die Hohepriesterin tront. Es existeren
insgesamt auf den 78 Tarotkarten nur 13 Karten mit Personen, die den Betrachter direkt anblicken - die
Hohepriesterin ist eine davon.
In diesem Fall ist mit dem Betrachter der Hohepriesterin nur eine einzige Person gemeint:
Sie selbst! Sie selbst in Ihrer momentanen Situation und vor so vielen Entscheidungen stehend.
Die Karte verrät Ihnen: Sie finden bestimmt eine Lösung, auch wenn Sie es selbst noch nicht
richtig glauben können!
< 1) Einfuehrung in das Kartenlegen